Unterschiede von Bewerbungsunterlagen in Deutschland und in der Schweiz
Ein umfassender Vergleich für alle, die den Schritt über die Grenze wagen
Wenn man sich als Fachkraft oder Führungsperson beruflich verändern möchte, ist der deutschsprachige Raum für viele besonders attraktiv. Deutschland und die Schweiz bieten gute Arbeitsbedingungen, sichere Beschäftigung und spannende Perspektiven. Doch wer denkt, dass eine Bewerbung in beiden Ländern gleich funktioniert, täuscht sich. Die Unterschiede liegen oft im Detail – in der Sprache, der Form, dem Ton und sogar in der Art, wie man sich selbst präsentiert. Dieser Beitrag erklärt ausführlich, worauf Sie achten sollten, wenn Sie Ihre Bewerbungsunterlagen für die Schweiz oder für Deutschland zusammenstellen.
1. Sprache und Ton – formell, aber unterschiedlich herzlich
Ob in Deutschland oder in der Schweiz – Bewerbungen sind immer ein formeller Akt. Dennoch gibt es feine Unterschiede in der Anrede und im Tonfall, die entscheidend sein können.
In der Schweiz schreibt man in der Regel kein Komma nach der Anrede. Also heisst es:
Sehr geehrte Frau Meier
Herzlichen Dank für Ihre Zeit und Ihr Interesse an meinem Profil.
In Deutschland hingegen gilt die klassische Regel mit Komma:
Sehr geehrte Frau Meier,
vielen Dank für Ihre Zeit und Ihr Interesse an meiner Bewerbung.
Auch beim ersten Satz nach der Anrede ist die Grossschreibung in der Schweiz üblich. Man beginnt also gross, während in Deutschland meist klein begonnen wird, sofern der Satz weitergeführt wird. Solche Kleinigkeiten wirken auf Personalverantwortliche sofort vertraut oder fremd – und zeigen, ob sich jemand mit den lokalen Gepflogenheiten auskennt.
Darüber hinaus ist der Ton in der Schweiz oft zurückhaltender und höflicher. Man vermeidet übertriebene Selbstdarstellung und bevorzugt eine sachliche, bescheidene Ausdrucksweise. In Deutschland hingegen darf man ruhig etwas offensiver auftreten, Stärken klar benennen und Selbstbewusstsein zeigen.
2. Aufbau der Bewerbungsunterlagen – ähnliche Struktur, andere Gewichtung
Sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz bestehen Bewerbungsunterlagen in der Regel aus folgenden Elementen:
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Bewerbungsschreiben (Motivationsschreiben)
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Lebenslauf (Curriculum Vitae, CV)
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Zeugnisse und Referenzen
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Allfällige Anhänge wie Zertifikate oder Arbeitsproben
Doch wie stark diese Teile gewichtet werden, unterscheidet sich.
In Deutschland
Das Anschreiben spielt eine besonders grosse Rolle. Es wird als entscheidend für die Motivation und die Persönlichkeit gesehen. Deutsche Arbeitgeber achten stark darauf, dass das Schreiben individuell auf die Stelle zugeschnitten ist und klar zeigt, warum man sich bewirbt.
In der Schweiz
Hier legt man grösseren Wert auf den Lebenslauf. Das Motivationsschreiben darf kurz und prägnant sein – eine halbe bis maximal eine Seite ist meist genug. Schweizer Personalverantwortliche bevorzugen Effizienz: Wer zu viele Floskeln oder Übertreibungen schreibt, wirkt schnell unpraktisch.
Ein weiterer Unterschied: In der Schweiz ist es gängig, Referenzen direkt im Lebenslauf anzugeben. In Deutschland hingegen steht meist der Hinweis „Referenzen sind auf Anfrage erhältlich“. Schweizer Arbeitgeber schätzen es, wenn sie sofort eine Person anrufen können, um sich ein Bild zu machen.
3. Lebenslauf – chronologisch oder antichronologisch?
In beiden Ländern ist der antichronologische Lebenslauf Standard, also der neueste Job zuerst. Dennoch gibt es Unterschiede in der Gestaltung:
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Deutschland: Häufig wird der Lebenslauf in zwei Spalten aufgebaut – links die Zeitangaben, rechts die Tätigkeiten. Zudem werden oft detaillierte Beschreibungen der Aufgaben und Erfolge erwartet.
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Schweiz: Hier darf es schlichter sein. Ein klar strukturierter, übersichtlicher CV zählt mehr als eine kreative Gestaltung. Auch das Foto ist weiterhin üblich, während es in Deutschland zunehmend fakultativ wird.
Wichtig ist auch die Angabe der Nationalität und des Zivilstands – in der Schweiz wird das traditionell noch oft erwartet. Ein typischer Kopfbereich könnte also so aussehen:
Name, Adresse, Telefonnummer, E-Mail
Schweizer Staatsbürger, verheiratet, zwei Kinder
In Deutschland lässt man diese Angaben oft weg oder hält sie minimal, um dem Datenschutz Rechnung zu tragen.
4. Zeugnisse und Referenzen – die schweizerische Besonderheit
Ein sehr markanter Unterschied liegt im Umgang mit Arbeitszeugnissen.
In Deutschland wird zu jeder Beschäftigung ein qualifiziertes Arbeitszeugnis erstellt. Dieses enthält codierte Formulierungen, die Personaler genau zu lesen wissen. Ein Satz wie „Er hat sich stets bemüht“ kann dort eine negative Bedeutung haben.
In der Schweiz sind Arbeitszeugnisse zwar ebenfalls üblich, aber weniger formalisiert. Sie werden meist ehrlicher formuliert, ohne die versteckten Codes, die in Deutschland verbreitet sind.
Zudem sind Referenzen (also persönliche Ansprechpartner aus früheren Stellen) in der Schweiz sehr wichtig. Arbeitgeber rufen häufig direkt an, um sich zu erkundigen. Daher sollte man nur Personen angeben, die auch wirklich bereit sind, Auskunft zu geben.
5. Bewerbungsfoto – ja oder nein?
In Deutschland wird das Bewerbungsfoto zunehmend optional. Viele Unternehmen verzichten darauf, um Diskriminierung zu vermeiden. In der Schweiz hingegen gehört ein professionelles Foto weiterhin fast immer dazu. Es signalisiert Seriosität und Sorgfalt.
Ein Selfie oder Ferienfoto ist natürlich tabu. Das Bild sollte neutral, freundlich und hochwertig sein – am besten von einem professionellen Fotografen. Schweizer Personalverantwortliche achten auf solche Details, weil sie einen Rückschluss auf die Haltung und Genauigkeit der Bewerber zulassen.
6. Sprachliche Unterschiede – kleine Wörter, grosse Wirkung
Wer sich in der Schweiz bewirbt, sollte sprachlich anpassen, um authentisch zu wirken. Das bedeutet:
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Doppel-S statt scharfes S: Also Strasse statt Straße, gross statt groß.
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Typisch schweizerische Wörter: Velo statt Fahrrad, Radfahren statt Radeln, ja als Verstärkung oder Einleitung in Sätzen.
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Kein Komma nach der Anrede, wie bereits erwähnt.
Auch kleine Nuancen in der Wortwahl machen einen Unterschied. Während in Deutschland oft das Wort Anschreiben oder Bewerbungsschreiben verwendet wird, hört man in der Schweiz häufiger Motivationsschreiben.
Und während man in Deutschland von Ausbildung spricht, sagt man in der Schweiz Lehre oder Berufslehre.
7. Digitale Bewerbung und PDF-Struktur
In beiden Ländern sind Online-Bewerbungen mittlerweile Standard. Doch Schweizer Arbeitgeber legen besonderen Wert auf strukturierte PDF-Dokumente.
Man fasst häufig alle Unterlagen in einer einzigen PDF-Datei zusammen, die nicht zu gross ist (maximal etwa 5 MB). In Deutschland hingegen werden auch einzelne Dateien akzeptiert.
Dateinamen sollten klar und ordentlich sein, zum Beispiel:
Bewerbung_Max_Muster_Marketingmanager.pdf
In der Schweiz ist die Sorgfalt im digitalen Auftritt besonders wichtig. Eine unsaubere Dateibenennung oder ein schlecht formatiertes PDF wird rasch als Nachlässigkeit interpretiert.
8. Bewerbungsprozess – schneller Takt in der Schweiz
Der Bewerbungsprozess in der Schweiz ist oft schneller und pragmatischer als in Deutschland. Schweizer Unternehmen entscheiden sich zügiger, laden Bewerbende kurzfristig ein und erwarten ebenso rasche Rückmeldungen. In Deutschland kann der Auswahlprozess dagegen Wochen oder gar Monate dauern.
Wer also in der Schweiz arbeitet oder sich bewirbt, sollte gut erreichbar sein und schnell reagieren. Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit gelten hier als zentrale Tugenden.
9. Kulturelle Feinheiten – Bescheidenheit und Genauigkeit
Die Schweiz ist bekannt für ihre Zurückhaltung und ihre Präzision. Diese Werte spiegeln sich auch im Bewerbungsstil wider.
Während deutsche Bewerbungen oft leistungsorientiert und direkt formuliert sind („Ich bringe langjährige Erfahrung in … mit“), wirken Schweizer Bewerbungen bescheidener und kollegialer („Ich konnte bereits wertvolle Erfahrungen in … sammeln“).
Man lobt sich also weniger selbst, sondern betont das gemeinsame Arbeiten und den Nutzen für das Team oder die Organisation. Das wirkt sympathisch und authentisch – gerade in kleineren oder mittelgrossen Unternehmen, die grossen Wert auf Teamgeist legen.
10. Fazit – zwei Länder, ein Sprachraum, viele Unterschiede
Auf den ersten Blick scheint es kaum Unterschiede zu geben – schliesslich sprechen beide Länder Deutsch, beide legen Wert auf Professionalität und vollständige Unterlagen. Doch wer genau hinsieht, erkennt, dass die Bewerbungskultur in Deutschland und der Schweiz unterschiedliche Werte widerspiegelt.
In Deutschland zählt oft die Überzeugungskraft und Eigeninitiative, während in der Schweiz Sachlichkeit, Bescheidenheit und Genauigkeit entscheidend sind. Wer diese kulturellen Feinheiten versteht und seine Unterlagen entsprechend anpasst, hat einen klaren Vorteil im Bewerbungsprozess.
Kurz gesagt:
Thema | Deutschland | Schweiz |
---|---|---|
Anrede | Mit Komma, klein weiter | Ohne Komma, gross weiter |
Ton | Selbstbewusst, direkt | Höflich, zurückhaltend |
Fokus | Anschreiben | Lebenslauf |
Foto | Optional | Erwartet |
Zeugnisse | Standardisiert, mit Codes | Offener, ehrlicher |
Referenzen | Auf Anfrage | Direkt angegeben |
Tempo | Langsamer | Schneller |
Sprache | ß, deutsches Hochdeutsch | ss, Schweizer Hochdeutsch |
Schlussgedanke
Wer in der Schweiz arbeiten möchte, sollte sich nicht nur fachlich, sondern auch kulturell anpassen. Eine Bewerbung ist immer auch ein Spiegelbild des Respekts vor der lokalen Arbeitswelt.
Mit etwas Aufmerksamkeit für Details – vom fehlenden Komma nach der Anrede bis zur klaren Struktur im Lebenslauf – zeigen Sie, dass Sie nicht nur qualifiziert sind, sondern auch den Ton der Schweiz treffen. Und genau das kann am Ende den Unterschied machen.